Lakeview Stories 7 - Eine Playlist für uns beide by Sarah Dessen

Lakeview Stories 7 - Eine Playlist für uns beide by Sarah Dessen

Autor:Sarah Dessen [Dessen, Sarah]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2017-05-13T16:00:00+00:00


Kapitel 12

Meine Mutter kehrte von ihrem ersten (Kurz-)Urlaub seit über einem Jahr erholt, frisch manikürt und verjüngt zurück. Was im Prinzip sehr erfreulich gewesen wäre – wenn sich ihre neu erwachte Energie nicht exakt auf die eine Sache gerichtet hätte, an die ich am wenigsten denken wollte, der ich jetzt aber nicht mehr ausweichen konnte: die Modenschau der Lakeview Models.

»Du sollst also heute für eine Anprobe ins Kaufhaus Kopf kommen, morgen für eine Probe«, sagte sie zu mir, während ich in meinem Frühstück herumstocherte. »Der letzte Durchlauf ist am Freitag, der Friseurtermin Donnerstag, und für Samstag früh, vor der Show, habe ich dich im Nagelstudio angemeldet. Okay?«

Nachdem ich das ganze Wochenende für mich und ja auch die ganzen letzten Monate nur vereinzelt Jobs gehabt hatte, klang das in meinen Ohren definitiv nicht okay. Sondern qualvoll. Trotzdem schwieg ich. Sosehr mir die vor mir liegende Woche und die Modenschau im Magen lagen – immerhin hatte ich etwas, worauf ich mich freuen konnte. Denn gleich anschließend, am Samstagabend, würde ich mit Owen ins Bendo gehen.

»Außerdem ist mir eingefallen, dass die Leute vom Kaufhaus Kopf wahrscheinlich gerade dabei sind, das Casting für ihre nächste Frühjahrskampagne vorzubereiten«, plauderte meine Mutter munter weiter. »Neben allem anderen ist die Show also eine tolle Möglichkeit für sie, dich wieder einmal persönlich zu erleben. Zu sehen, wie du dich entwickelt hast. Meinst du nicht?«

Ich verspürte einen schmerzhaften Stich. Angst. Nackte Angst. Denn ich wusste, ich sollte ihr endlich sagen, dass ich mit Modeln aufhören wollte. Doch auf einmal sah ich Owen und mich selbst vor mir, wie wir auf unserer Mauer hockten und exakt diese Situation im Rollenspiel nachstellten. Schon damals hatte ich kaum ein Wort herausgebracht, obwohl es nur eine Trockenübung war. Ich schaute meine Mutter an, die mir gegenübersaß, an ihrem Kaffee nippte, und wusste plötzlich: Das ist der richtige Moment. Ihr Pulli war auf den Boden gefallen, ich hätte ihn nur aufheben müssen. Doch genau wie Rolly erstarrte ich zur Salzsäule. Blieb stumm. Ich rede später mit ihr, sagte ich mir. Nach der Modenschau. Ja, bestimmt.

Ziemlich zur selben Zeit am kommenden Samstag, zu der ich den Laufsteg in der Mall entlanglief, um Wintermode vorzuführen, würde meine Schwester Kirsten ebenfalls vor einem aufmerksamen Publikum stehen, wenn auch aus einem völlig anderen Grund. Am Tag zuvor hatte sie mir, wie versprochen, ihr Kurzfilmprojekt zugemailt. Ich war mehr als erstaunt über die Nachricht, die sie mitgeschickt hatte: Hi Annabel, hier ist es also. Lass mich wissen, was du davon hältst. Liebe Grüße – K.

Unwillkürlich scrollte ich die gesamte E-Mail noch einmal durch, bis ans Ende. Denn normalerweise waren die E-Mails meiner Schwester genauso wortreich wie ihre endlosen Tiraden am Telefon. Aber diese beiden Zeilen waren tatsächlich alles, was sie mir dazu geschrieben hatte.

Ich leitete den Download-Prozess ein und sah zu, wie blaue Quadrate allmählich den gesamten Bildschirm ausfüllten. Als der Download beendet war, drückte ich auf PLAY.

Die erste Einstellung: Gras. Üppiges, saftiges grünes Gras, wie das auf dem Golfplatz gegenüber, das heißt, mit Chemie vollgepumpt und hochgepäppelt. Es füllte den Bildschirm über dessen ganze Breite und Höhe aus.



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